Strukturelles
I. Einstieg – Genus und Sexus
II. Genderbetonende Sprache
III. Kritik erster Teil – Genus
IV. Kritik zweiter Teil – Verwendung und Sprachbeispiele
V. Kritik dritter Teil – Sexusfokus und einfache Sprache
VI. Gegenbeispiele genderbetonender Sprache
VII. Schluss
I. Einstieg – Genus und Sexus
Da der Ursprungsbeitrag mit der Mustervorlage sich einer gewissen Beliebtheit erfreut, lege ich einmal nach und rolle die ganze unsinnige genderbetonende Sprache etwas detaillierter auf. Dazu muss ich zwei Sachen klarstellen:
- Es gibt in der deutschen Sprache das Genus, eine grammatische Kategorie, nach der Wörter sortiert werden können. Das gib es als Maskulinum, Femininum und Neutrum.
- Es gibt den Sexus in der Biologie, das Geschlecht, wonach beispielsweise Menschen sortiert werden können. Den gibt es beim Menschen in männlich und weiblich.
Ja, ich sehe beim Menschen nur Mann und Frau als legitime Geschlechter an. Das liegt daran, dass ich ein Geschlecht im Sinne des Sexus mit der Fortpflanzung in Verbindung bringe. Während manche Arten noch ein drittes Geschlecht haben mögen, ist ein echter Hermaphoditismus beim Menschen unbekannt. Die genetischen und hormonellen Strukturen sind hier relativ eindeutig und das, was heutzutage als Divers beschrieben wird, sehe ich nicht als drittes Geschlecht. Statt auf die Geschlechtsteile eines Neugeborenen zu schauen und sich zu fragen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist und bei einer Unsicherheit divers einzutragen könnte man genauso gut einen Gentest machen: Denn das, was als divers firmiert, ließe sich früher oder später mit pränatalen Gentherapien aus der Welt schaffen – sind es doch z. B. Fälle von Androgenresistenz oder Turner-Syndrom, die ihrerseits klar auf Jungen oder Mädchen bzw. Männer oder Frauen verweisen. Das sind sozusagen Unfälle der Natur, aber definitiv kein drittes Geschlecht des Menschen.
Soweit zum Sexus. Es gibt Männer, Frauen und Unfälle der Natur, die ihrerseits aber als Männer und Frauen klassifiziert werden können. Diese Dualität wird natürlich auch in der Sprache reflektiert, siehe die Verwandtschaftsebzeichnungen nachfolgend.
Nur ist es mit dem Genus nicht so eindeutig wie mit dem Sexus.
Das Genus bei den Wörtern unserer Sprache zeigt derweil, dass eine relativ willkürliche Ausprägung dessen haben, was ihren Genus ausmacht. Wie seltsam das ist, kann man schon daran sehen, dass manche Wörter ganz unterschiedliche Genera zulassen. Beispielsweise:
- Formen von sowohl im Genus männlichen als auch sächlichen Begriffen: Barock, Filter, Gummi, Knäuel, Sims,
- Formen von sowohl im Genus weiblichen wie sächlichen Begriffen: Maß, Steuer, Wehr,
- Formen von sowohl im Genus weiblichen wie männlichen Begriffen: Flur, Hut, Kunde, See.
Die Unterschiede gehen dabei insbesondere auf Formen von Homonymie zurück, wobei die Begriffe im Regelfall dann etwas ganz anderes meinen. So z. B. der See, der ein Binnengewässer beschreibt, oder eben die See als offenes Meer. Ähnlich die Kunde, die froh sein kann, und der Kunde, der auch ein Affe sein mag. Der Kontext spielt eine Rolle. Gleichzeitig sind für manche Begriffe wie Barock auch beide Fälle möglich. Auch gibt es bei z. B. Diminutiven eine Genusänderung. So wird eben aus dem Pimmel, vom Genus her männlich, das Pimmelchen bzw. das Pimmellein und damit etwas im Genus sächliches. Ganz spannend ist auch die Genusänderung von Schiffen: Das Schiff als sächliches Wort, aber wenn es einen Namen bekommt, ist es plötzlich weiblich.
Also so viel zum Genus, das im Deutschen drei Ausprägungen hat. Ausprägungen, die durchaus etwas mit dem Sexus zu tun haben mögen. So ist jede Verwandtschaftsbezeichnung, neben vereinzelten weiteren bei Berufen wie Nonne und Mönch, von einer Genus- und Sexusgleichheit geprägt. Niemand würde auf die Idee kommen, bei dem Vater da drüben an eine biologische Frau zu denken. Der Vater als männliches Wort nimmt hierbei entsprechenden Bezug auf das Geschlecht der jeweiligen Person, auf die verwiesen wird. In ähnlicher Weise betrifft das Bruder, Schwester, Base, Vetter, Oheim, Muhme, Tochter, Sohn etc. Seitens der einzelnen Berufe, wo die Gleichsetzung besteht, lässt sich derweil eine Trennung von Aufgaben und Pflichten zugrunde legen.
Demgegenüber gibt es dann aber die große Anzahl der anderen Worte, wo das nicht so ist, sondern wo eine Gemeinsamkeit zwischen Genus und Sexus konstruiert wird und an diesem Punkt setzt dann auch die unmittelbare Kritik an der genderbetonenden Sprache an. Oder wieso ist das Bein nun sächlich, der Zeh männlich, die Beuge weiblich? Weil die Frau sich beugen muss, wenn sie von hinten genommen wird oder wie?
Das Heft, die Mappe, der Hefter. Der Löffel, die Gabel, das Messer. Alles klar, hier herrscht, vereinfacht ausgedrückt, eine Art wilder Mix den sich keiner erklären kann und zu dem es wohl unterschiedlichste Theorien gibt.
II. Genderbetonende Sprache
Die Argumentation der Verfechter jener genderbetonenden Sprache, die eben nicht gendergerecht ist, ist dabei in Kurzform wie folgt:
- Ein maskulines Wort meint eine männliche Person. Der Sonntagsfahrer ist ein Mann, ebenso wie der Priester, ebenso wie der Laie oder der Experte.
- Wenn nur Männer gemeint sind, sind Frauen sprachlich wie gedanklich ausgeschlossen und es findet keine Gleichberechtigung statt.
- Von anderen Geschlechtern, derer ja über 4000 kolportiert werden, ganz zu schweigen.
Entsprechend scheint man sich alle maskulinen Wörter, die auch nur irgendwas mit Personen zu tun haben, als Feindbild auserkoren zu haben. Ein Feindbild, welches es vom Kampf gegen das Patriarchat, gegen Phallussymbole, zu schleifen gilt. In der Folge hat man sich unterschiedliche Konzepte entwickelt, um Frauen (und andere) mitzumeinen:
- Menschen und Menschinnen
- MenschInnen
- Mensch/Innen
- Mensch/innen
- Mensch:innen
- Mensch*innen
- Bürger*innenmeister*innenkandidat*innen
Ich denke mal, ich habe alle, wobei der Kreativität sicher keine Grenzen gesetzt sind. Warum alles davon Unfug ist wird jetzt beschrieben.
III. Kritik erster Teil – Genus
Die unterschiedlichen Formen der genderbetonenden Sprache bzw. diese Sprache selbst beruhen meines Erachtens aber auf mehreren Denkfehlern. Der erste Denkfehler ist, dass die Gleichsetzung von Sexus und Genus seltsamerweise nur die maskulinen Wörter betrifft. Feminina und Neutra werden überhaupt nicht gegendert, wobei aber doch der Logik der genderbetonenden Sprache hier ebenfalls eine klare Zuordnung sein müsste:
- Beispielsweise wären mit Koryphäe, Diva, Muse oder Fee auf jeden Fall Frauen bzw. weibliche Wesen.
- Beim Neutrum ist das dann spannender. Was ist denn ein Monster, ein Genie, ein Model, ein Sportass?
Nun wird zumindest relativierend vorgebracht, dass das Neutrum neutral wäre und damit ohnehin jeden meint. Andernfalls wäre das auch schräg, denn wen sollen Neutra denn sonst meinen? Den Objektophilen? Der wird sich jedenfalls am ehesten als Sache empfinden und daher angesprochen fühlen.
Der Umstand, dass man die neutralen Worte nun ausklammert, löst dann natürlich auch nicht das grundlegende Problem, weil diese Erklärung nicht bei femininen Wörtern greift und die Sexus-Genus-Kongruenz da nach wie vor gilt. Auch zeigt sich in der Sprache, dass sächliche Worte formal nun wieder männlich anmuten:
- Neutrum: Wir geben dem Genie seinen Krug.
- Maskulinum: Wir geben dem Lehrer seinen Krug.
- Femininum: Wir geben der Diva ihren Krug.
Maskuline und sächliche Formen sind demnach formal gleich. Das gilt übrigens auch für Pluralformen, die formal alle weiblich aussehen:
- Die Männer geben den Frauen einen Stoß.
- Die Frauen geben den Männern einen Stoß.
- Die Trolle geben den Assen einen Stoß.
- Die Models geben den Diven einen Stoß.
Vom Artikel her alles gleich. Geht natürlich auch mit substantivierten Worten oder dergleichen. Beispielsweise:
- Neutrum: Wir geben dem großen (Auto) ein neues Rad.
- Maskulinum: Wir geben dem großen (Mann) ein neues Bein.
- Femininum: Wir geben der großen (Frau) ein neues Bein.
Außer man argumentiert nun so, dass das nur bei männlichem Genus gilt. Das gibt natürlich weitere Probleme, denn warum sollte das nur in diesem Fall so sein? Selbst wenn man nun annimmt, dass die maskulinen Worte des Teufels sind, dann ist spannend, dass längst nicht alle Maskulina gegendert werden. Beispielsweise:
- Fan
- Nazi
- Trottel
- Dummkopf
- Arsch
- Flüchtling
Ich bin ja für Neologismen offen und wo es schon Gästin, Clownin und Idiotin gibt, dann wird sich sicherlich auch Fanin, Naziin, Flüchtlingin, Trottelin, Dummöpfin oder Ärschin finden lassen. Das heißt, dass schon die Gleichsetzung mit Genus und Sexus ein Trugschluss ist, der sich nicht halten lässt und mit einer gehörigen Portion Schwurbelei umgesetzt werden muss. Aber auch dann, selbst wenn man diese Gleichsetzung fürs Erste annimmt, bleiben in unterschiedlichen Fällen Schwierigkeiten seitens der konkreten Verwendung. Das führt zum zweiten Kritikteil.
IV. Kritik zweiter Teil – Verwendung und Sprachbeispiele
Seitens der Verwendung und Sprachbeispiele der genderbetonenden Sprache seien noch ein paar Argumente der Verfechter derselben genannt.
- Sprache bildet die Realität ab und wenn wir eine inklusive Gesellschaft wollen, müssen wir auch alle in der Sprache inkludieren. Nicht nur die Männer.
- Es wurde schon historisch gegendert.
Dass der erste Punkt absurd ist, wurde mit Verweis auf Feminina (und Neutra) schon gezeigt. Verstärkend lässt sich hier allerdings noch annehmen, dass Sprache die Welt nicht abbildet, sondern sie vereinfacht und sie nicht die Gedanken prägt, sondern allenfalls die Denkweise eines Sprechers ausdrückt (frei nach Humboldt). Andernfalls wäre jede Sprache ohne so Genusordnung, z. B. das Türkische, sehr inklusiv und die Gesellschaft dann die reinste Utopie. Naja, hier lässt sich natürlich auch anmerken, dass die Türkei kürzlich doch aus der Istanbulkonvention ausgetreten ist. Bei denen steht es um die Gleichberechtigung und Inklusivität eben so gut, dass sie die Konvention nicht mehr brauchen. Diese Argumentation greift also nicht, allenfalls taugt sie für polemische Beispiele.
Auch der zweite Punkt ist so nicht ganz korrekt. Sicher, früher gab es auch schon Formen des Suffix -in. Z. B. bei Nachnamen, wenn man im Kirchenbuch von der „Maierin“ lesen kann. Das ist natürlich ein Sexus, der da mitschwingt, aber nicht, weil die Frau nun …
- Maier wäre, also den Beruf ausübt,
- besonders emanzipiert gewesen wäre, dass sie auf ihre Vagina verweist.
Stattdessen ist hier die Zuordnung zum Mann das Ausschlaggebende. Die Frau ist sozusagen Anhängsel oder Besitz des Mannes. Ein Anhängsel, was sich in unterschiedlicher Weise natürlich erhalten hat. Also auch historisch ist das nichts. Es lässt sich sogar das Gegenteil annehmen Wer sich wirklich frei machen will von der Last des Patriarchats, der sollte nicht unbedingt auf ein Anhängsel aus dem Mittelalter zurückgreifen.
Mit der einen oder anderen Argumentation wird dann darauf verwiesen, dass man jedenfalls alle sprachlich abbilden müsste. Was erst die Doppelnennung war, Lehrer und Lehrerinnen, waren dann irgendwann Schrägstrich und Asterisk. Denn (Trugschluss Nummer 2, der schon thematisiert wurde): Es gibt ja mehr als männliche und weibliche Personen, eben diverse oder was man sich noch so ausdenken kann. Apache Kampfhubschrauber z. B., die auch genannt werden wollen. Warum die sich nun gerade bei einem Asterisk angesprochen fühlen sollen? Wer weiß.
Es wurde schon gesagt, dass sprachlich da nichts zu machen ist, sondern viel konstruiert werden muss. Dass das Ganze auch handfeste Probleme hat, zeigt sich in den folgenden Fällen:
- Arzt und Ärztin
- Bauer und Bäuerin
- Pole und Polin
Diese schönen Doppelnennungen funktionieren beim Sternchen gar nicht. Aerztin? Polein? Im Plural natürlich das Gleiche. Das führt ganz abseits etwaiger Pausen zu Problemen, die offen auf der Hand liegen. Doch das ist nicht alles, auch die Formen, die hier keine Probleme aufweisen, sind in anderer Hinsicht problematisch:
- Lehrer*innen
- Schüler*innen
Meine Favoriten. Ich habe mich schon vor über zehn Jahren gegen solchen Unfug wie SuS gewehrt. Das Problem liegt insbesondere in der Sprechpause: „Schüler innen“. Einerseits führt das zur Wahrnehmung, dass nur Mädchen genannt sind, andererseits gibt es Probleme im Verständnis eines Satzes wie „Die Lehrer [Pause] innen verfügen, dass die Schüler [Pause] innen nach Hause dürfen.“ Heißt im Klartext: Wer draußen auf dem Hof ist, hat die Arschkarte gezogen?
Der ganze Glottisschlag, also diese Sprechpause, ist an der Stelle völlig falsch motiviert und verzerrt die eigentliche Bedeutung. Auch sind ganze Satzkonstruktionen nicht mehr machbar. Beispielsweise:
- Das Geschlecht des Verdächtigen ist unbekannt.
- Wir haben den Täter. Wir kennen sein Geschlecht nicht.
- Zwei Drittel der Unternehmer sind Frauen.
- Ich gehe zum Arzt.
Es ließe sich hier nur auf Alternativen, etwa Synonyme und vielleicht eine Partizipkonstruktion, zurückgreifen oder auf Redundanz. Das Geschlecht des in Verdacht Stehenden ist unbekannt oder aber Wir haben den*die Täter*in. Wir kennen sein*ihr Geschlecht nicht. Das erste Beispiel braucht mehr Raum, das zweite Beispiel ist redundant. Wenn man mit Sternchen und co. sagen muss, dass das Geschlecht des Täters irgendwie vieles sein kann, dann kann man sich den zweiten Teil natürlich sparen.
Auch Alltagsfloskeln, etwa zum Arzt oder Bäcker gehen, funktioniert nicht mehr oder der Gang zum Nachbarn. Dazu im nächsten Kapitel mehr. Die schönsten Stilblüten treibt die Genderbetonung in manchen Texten einzelner öffentlicher Akteure. So z. B. das Folgende vom Rat der Stadt Neuss:
(5) 1) Zur Vorbereitung ihrer Beratungen können die Fraktionen im Rahmen ihrer
Aufgaben von der*vom Bürgermeister*in Auskünfte über die von dieser*diesem oder in ihrem*seinem Auftrag gespeicherten Daten verlangen, soweit der Datenübermittlung nicht
Rechtsvorschriften, insbesondere Bestimmungen über den Datenschutz, entgegenstehen. 2)
Das Auskunftsersuchen ist durch die*den Fraktionsvorsitzende*n schriftlich unter wörtlicher
Wiedergabe des Fraktionsbeschlusses an die*den Bürgermeisterin*Bürgermeister zu richten
Da ist so viel falsch, dass man einen eigenen Beitrag schreiben kann. Fangen wir mal mit dem Offensichtlichen an: Die Formen werden wild durcheinander gewürfelt und teils sogar verkehrt herum genutzt. So ist gleich das erste Beispiel nicht stimmig, müsste es doch „von dem*von der Bürgermeister*in“ lauten, nicht aber „von der“ und „vom“. Hier wurde also die Reihenfolge der Artikel verändert und es fand noch eine Zusammenführung der Präposition mit dem Artikel im männlichen Teil des Bürgermeisters statt. Warum auch manchmal Bürgermeister ausgeschrieben und trotzdem ein Stern gegeben ist, warum manchmal abgekürzt mit Stern, wissen wohl nur die Mitglieder des Rates.
Abseits der genannten Beispiele gibt es, wie im Falle der Wortstammänderung bei z. B. Arzt/Ärztin oder der unklaren Lesart per Glottisschlag insgesamt auch andere Fälle, wo Sternchen und co. nicht funktionieren. Etwa:
- Student*innen
- Studenten/innen
- Expert*innen
- Expert/innen
- Virolog*innen
- Virolog/innen
Im Singular Nominativ mag das noch Sinn machen, wo an den Studenten das Suffix -in gehangen werden kann. Mit einem anderen Kasus wird es allerdings so wirr wie in Neuss: Wir geben dem*der Studenten*in ihr Heft oder Wir suchen den*die Studenten*in. Im Plural geht es dann erst recht rund, ist das Spannende hieran doch, dass die vermeintliche maskuline Endung der Studenten entfällt. Konsequent gedacht müsste es bspw. Studenten*innen heißen. Im zweiten Falle wirkt es auch nicht stimmig, da das Wort Studenteninnen keinen Sinn macht, es sei denn, man hat ein Leerzeichen vergessen und meint eben jene im Haus. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Beispielen. Virologe*in? Virologe*innen? Bemerkenswert ist dabei, dass in einigen Diskussionen dann sogar das Argument fällt, dass man sich eben Synonyme überlegen müsste – sowohl seitens der fehlerhaften Beispiele zuvor als auch seitens der femininen Worte. So könnte man ja auf die Studierenden ausweichen oder aber statt Koryphäe auch Meister sagen. Meister lässt sich super gendern.
Diese Argumentation schießt meines Erachtens den Vogel völlig ab. Die Leute suchen sich also krampfhaft neue Wörter, mit teils ganz anderen Bedeutungen, nur damit sie ein Maskulinum haben, das sie gendern können? Verrückter wird es dann sicher kaum mehr, aber in einer Ideologie mag das nur folgerichtig sein.
V. Kritik dritter Teil – Sexusfokus und einfache Sprache
Die unterschiedlichen Punkte haben gezeigt, dass es keine Erklärung für die Gleichsetzung von Genus und Sexus und die Beispiele der Sprache zeigten, dass die genderbetonende Sprache nicht stimmig ist bzw. geradezu irreführend sein kann. Als weitere Grund gegen die genderbetonende Sprache ist derweil das Betonende daran selbst anzuführen, wobei noch einmal auf die unterschiedlichen Genera geblickt werden kann:
- der Mensch, der Gast, der Student, der Arzt, der Bäcker, der Lehrer, der Zauberer, der Troll
- die Person, die Hilfe, die Hebamme, die Fee, die Knalltüte, die Schwester
- das Arschloch, das Mitglied, das Ass, das Monster
Die Beispiele scheinen erst einmal willkürlich zu sein. Gemeinsam ist bei einem nicht ideologischen Blick auf sie, dass es völlig egal ist, ob die dahinter stehenden Personen nun Männer oder Frauen sind (Fun Fact: Die Mehrzahl der deutschen Substantive scheint feminin zu sein). Jede Person kann Mann oder Frau sein, ebenso wie jedes Arschloch oder jeder Mensch. Einen Neologismus, wie im Falle von Schwester zu Pfleger oder von Hebamme zu Geburtshelfer braucht es nicht. Gleichwohl ist diese Art der Neologismenbildung natürlich im ideologischen Kontext nur folgerichtig, wollen sich manche Männer nun vielleicht nicht als Hebamme sehen, wo sich manche Frauen doch nicht als Arzt sehen wollen.
Die Probleme treten dann auf, wenn die ideologische Brille genutzt wird und der Sexus betont werden soll. Dabei stellen sich zuerst die Fragen: Warum sollte das überhaupt geschehen? Welchen Mehrwert für das Gespräch und seinen Inhalt hat es, explizit auf das Geschlecht zu verweisen? Das fängt schon im Kleinen an:
- Wir begrüßen die Autorin Hecht.
- Sie können zur Ärztin gehen.
- Wie heißt denn die kleine Patientin?
In jedem dieser Beispiele wird der Sexus betont. Es könnte sich auch einer hinstellen, mit dem Finger zeigen und Vagina rufen. Erneut die Frage: Wo ist der Mehrwert darin, zu wissen, dass der Autor, der Arzt oder der Patient hier weiblich sind? Geschweige denn: Woher will der Sprecher das überhaupt wissen?
Hier wird nicht nur das Geschlecht hervorgehoben, sondern es wird auch unterstellt. Stellt sich der Autor etwa hin und sagt, dass er heute als Frau aufgestanden ist? Woher weiß der Sicherheitsmitarbeiter, dass das dreijährige Kind mit langen Haaren ein Mädchen ist? Es täte allen ganz gut, sich von diesem Fetisch zu lösen und nicht mehr den Sexus zu betonen, sondern ihn stattdessen aus der Sprache herauszunehmen oder nur dort zu betonen, wo es vielleicht wichtig ist, wie etwa im religiösen Kontext, wo man ohnehin sehr Stark auf das Geschlecht fixiert ist. Aber auch dann kann man sagen:
- Hier kommt ein männlicher Patient.
- Du kannst jetzt zum weiblichen Arzt gehen.
- Du kannst jetzt zur Ärztin gehen.
Es ist dann der Kontext entscheidend und ich nehme an, dass beispielsweise eine Muslima explizit erwähnen wird, dass sie nur zu einer Ärztin möchte. Diese Beispiele erfordern jedoch keinen Stern, keine Annahme des Geschlechts und auch sonst keinen allgemein gerechtfertigten Fokus auf den Sexus.
Hinzu kommt, dass die Sternchen und co., man sieht es an Neuss, nicht mit einer einfachen Sprache vereinbar sind. Um sozusagen alle zu inkludieren grenzt man doch diejenigen aus, die auf einfache Sprache angewiesen sind und jeder Ausländer, der Deutsch lernt, dürfte auch aus dem Häuschen sein, wenn er sich mit diesen Irrwegen befassen muss. Hier kommt eine soziale Komponente dazu, die genderbetonende Sprache noch mehr absurd erscheinen lässt als sie ohnehin schon ist.
Plakativ ausgedrückt müsste man bei jedem Wort Sternchen setzen. Wer weiß schon, ob unser Kanzler Merkel heute beispielsweise als Frau aufgestanden ist? Ist es nicht eher unser*e Bundeskanzler*in Merkel? Wir wollen doch niemandem ein Geschlecht unterstellen. Ein Umstand übrigens, nach welchem ich auch Jürgen Braun zustimme, der Claudia Roth als Frau Präsident bezeichnet hat: Präsidentin wäre in diesem Zusammenhang redundant, da der Fokus auf das Weibliche schon durch die Verwendung Frau gelegt wurde. Genauso gut kann man aber auch Guten Morgen, Präsident Roth sagen. Wen interessiert, dass das eine Frau ist, woher will man es überhaupt wissen? Bist du auch heute genug Frau, damit ich genug Sexus verwenden kann?
Darüber hinaus setzt sich die Problematik im Großen fort und bleibt auch bei einzelnen Wörtern unklar. Etwa dann, wenn es um Substantivierungen oder Analogien geht:
- Der Große (Mensch) da drüben.
- Die Kleine (Person) da drüben
- Du bist wie eine Katze.
- Du stinkst wie ein Oger.
- Du bist ein Waschlappen.
Die Wörter in Klammern können sprachlich weggelassen werden, was in der Sprache zu spannenden Vorstellungen führt. Denn wenn von einem männlichen Kind gesprochen wird, lässt sich beispielsweise auch das Folgende sagen:
- Das (Kind) ist blöd.
- Der (Junge) ist blöd.
- Die (Person) ist blöd.
In jedem Fall kann vom Sprecher eine Leerstelle gedacht werden, die einen anderen Artikel rechtfertigt – und vom Hörer kann das als Konflikt wahrgenommen werden, weil dem Hörer sein männliches Kind jetzt plötzlich als Mädchen wie im dritten Fall wahrgenommen wird. Reaktion des Hörers? Es ist ein Junge.
Bei einer konsequenten Gleichsetzung von Genus und Sexus wäre Katze als feminines Wort mit einer Frau in Verbindung zu bringen. Du bist wie eine Katze ausgesprochen gegenüber einem Mann könnte demnach eine Beleidigung sein, weil der Mann sich durch das weibliche Wort als Frau sieht, statt dass er einfach nur leise ist. Ein Gendersternchen kann helfen, denn wer weiß schon, ob sich der Mann heute auch als Mann fühlt? Du bist wie eine Katze. Sternchen? Kater wäre natürlich denkbar, aber sind die wirklich so leise wie Katzen? Analog der Oger bei Frauen, diese wäre dann gleich doppelt beleidigt, müsste sie sich doch als männlicher Oger, faktisch als Mann, und nicht einfach nur als übel riechend ansehen. Der Große und die Kleine müssten derweil ebenfalls mit Gendersterchen versehen werden, denn andernfalls liegt die Zuordnung zum Mann bzw. zur Frau nahe.
Gib mir Tiernamen! gewinnt dann eine ganz neue Bedeutung. Jede Beleidigung verspricht ganz neuen Spaß und Substantivierungen bzw. Leerstellen darf es einfach nicht mehr geben. Auch hier wird man um ein Umschreiben des Wörterbuchs oder eine ganz neue Struktur von Sprache nicht herumkommen – oder man fängt eben an Englisch zu sprechen (wenngleich es da bereits ähnliche Ideologien gibt, die ebenso nicht ganz haltbar sind, was die Sprache angeht).
VI. Gegenbeispiele genderbetonender Sprache
Im Kontext der unterschiedlichen Herausforderungen, alle auch korrekt anzusprechen – obwohl das längst die Sprache leistet – sind immer wieder neue Ideen zu finden. Beispielsweise:
Die üblichen Verdächtigen, um dem Bruder ja nicht ein biologisches Geschlecht zu unterstellen und ihn deswegen nur Geschwisterkind zu nennen, mal außen vor gelassen. Da gibt es ganze Wörterbücher mit Synonymen, um ja kein Geschlecht zu unterstellen (während es dann natürlich auf andere Weise wieder unterstellt wird). Das Problem an diesem Formen mit y und x, so entlehnt aus dem Englischen es auch sein mag, ist, dass es im Kontext der übrigen Genera und der Kongruenz in der Sprache nicht funktioniert, jedenfalls nicht ohne Weiteres. Denn um das umzusetzen müsste man die Artikel überall schleifen, da es andernfalls wieder formal männlich anmutet:
- Der Professx hat sein Heft vergessen.
- Das Professx hat sein Heft vergessen.
- Das Lehry hat sein Heft vergessen.
- Der Lehrer hat sein Heft vergessen.
- Das Professx sucht den Lehrx.
- Der Professy sucht den Lehry.
Schon ist man in Zuständen drin, die man vermeiden will. In der Folge wäre jeder Artikel aufs Sächliche zu reduzieren.
- Das Professy sucht das Lehry.
- Das Lehry sucht das Professy.
Allerdings gibt es dann Probleme mit der Syntax und den Wortfeldern, die im Deutschen einigermaßen frei sind. Wir können Sätze umstellen, ohne dass es zu Schwierigkeiten im Verständnis kommt:
- Der Lehrer sucht den Schüler.
- Den Schüler sucht der Lehrer.
- Das Lehery sucht das Schüly
- Das Schüly sucht das Lehry.
In den ersten beiden Fällen ist klar, wer Subjekt und Objekt ist. In den letzten beiden Fällen bleibt das unklar bzw. man müsste das Subjekt an der ersten Position annehmen, was eine Umstellung nicht mehr möglich macht. Demnach könnte man auch gleich sagen: Wir sprechen jetzt Englisch und alle unsere Probleme sind weg.
Tatsächlich gibt es clevere Möglichkeiten, genderbetonende Sprache umzusetzen. So etwa, indem die formale Gleichheit zwischen der männlichen und der generischen Form aufgehoben wird. Hierbei ließe sich eine neue männliche Endung einführen oder aber das Anhängsel -in nicht mehr als Anhängsel sehen, sondern dem Wortstamm direkt hinzufügen:
- Lehrer (generisch), Lehrerich (männlich), Lehrerin (weiblich)
- Lehr (generisch), Lehrer (männlich), Lehrin (weiblich)
Auch das löst natürlich nicht das Problem mit den unterschiedlichen Artikeln und der Annahme, es gäbe mehr Geschlechter als Mann und Frau, die es zu würdigen gäbe, weil sie nicht gewürdigt würden. Das bedeutet, dass jeder Versuch, hier in die Sprache einzugreifen, fehlschlagen muss: Denn die Sprache an sich funktioniert bereits genderfrei, solange man ihr nicht das Gegenteil aus bewussten und falschen Gründen unterstellt. Damit gibt man, ganz im Kontext der Kommunikationsmodelle, natürlich auch sehr viel von sich preis, vielleicht, dass einem das Geschlecht wichtiger zu sein scheint als eine reale Gleichheit. Eine Idee könnte allenfalls sein, dass man die Begriffe Maskulinum und Femininum (sowie auch Neutrum) verändert und sich hier neue Worte ausdenkt, damit es eben nicht mehr männlich oder weiblich anmutet für jene, die Genus und Sexus verwechseln: Das Der-Wort, das Die-Wort und das Das-Wort beispielsweise. Problem gelöst.
VII. Schluss
Ich hoffe, ich habe soweit alles Wesentliche erfasst. Nachträge, beispielsweise seitens der Haplologie, mag es natürlich immer geben, wenn man so einen Text irgendwie zur Nacht zu schreiben versucht. Klares Fazit: genderbetonende Sprache kann man sicher machen, aber genauso gut kann man sich einen Psychiater suchen und mal seinen Fokus auf das Geschlecht zu therapieren versuchen.
Es handelt sich bei der genderbetonenden Sprache, bei dem Anliegen überhaupt gendern zu müssen um auch wirklich alle anzusprechen, um ein konstruiertes Problem. Ein konstruiertes Problem, dessen konstruierte Lösungen so fehlerhaft wie falsch sind. Entgendern ist eher das, was es nun braucht: Eine Abkehr von dem Fetisch, überall einen Sexus sehen und angeben zu müssen wird nötig, um dieses Chaos zu beseitigen. Verwenden wir die generischen Begriffe, alle, so, wie sie gedacht sind und halten wir das Geschlecht aus der Sprache raus in den Fällen, in denen es nichts in der Sprache zu suchen hat – und damit in der Mehrzahl aller Fälle.
Auch 99 Frauen und ein Mann sind eben eine Gruppe von Personen, von Menschen, von Mitarbeitern, von Fachkräften, von Trotteln oder von Lehrern. Je nach Bezug, einfach, weil es völlig egal ist, welches Geschlecht diese Leute haben – es sei denn, man will es explizit betonen. Statt hier jedoch auf Sonderformen auszuweichen kann man auch sagen: Die Mehrzahl der Lehrer ist weiblich oder 99 der 100 Lehrer sind weiblich.
An diesem Punkt folgt dann auch die Überleitung zur Mustervorlage #2 für Hausarbeiten, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten und co., möge sie vielen helfen und mögen die Argumente hier ein paar Personen vielleicht davon überzeugen, dass ihre Ideologie sprachlich nicht haltbar ist und ein paar andere Personen, sich diesem Chaos und Wahnsinn entgegen zu stellen und ihre Sprache zu reflektieren, wenn sie einmal wieder von der Patientin oder der Autorin sprechen wollen:
In der Arbeit wird keine genderbetonende Sprache verwendet. Gemäß den Regularitäten des Deutschen meinen generische Begriffe, zu denen neben Maskulina auch Feminina und Neutra zählen, alle Menschen gleichermaßen und der Sexus spielt in aller Regel keine Rolle, als dass er eigens betont werden muss. Selbst in den Fällen, in denen er relevant ist, gibt es geeignetere Möglichkeiten als Doppelnennungen, Schrägstriche oder Sternchen oder gar auf Krampf gesuchte Synonyme, die an Einheitlichkeit und Sinnhaftigkeit vermissen lassen, um den Sexus einer Person oder Gruppe kenntlich zu machen.
LG